Über Christian G. Nagel

Der Autor hat bisher keine Details angegeben.
Bisher hat Christian G. Nagel, 45 Blog Beiträge geschrieben.

Camp de Gurs – 22.10.1940

Heute, vor genau 81 Jahren startete in Konstanz vom Peterhausener Bahnhof ein Güterzug. Seine „Fracht“ bestand aus 112 Konstanzer Juden, sein Ziel war das Internierungslager Gurs am Fuße der Pyrenäen in Frankreich. Von dort aus ging es dann für viele weiter in die Vernichtungslager Auschwitz und Sobibor. An eben diesem Petershausener Bahnhof, der seinerzeit Ausgangspunkt der Deportation war, fand heute die feierliche Enthüllung eines Mahnmals statt. Angeregt von der Initiative Stolperstein zogen SchülerInnen mit Namenstafeln der 112 Deportierten durch die Stadt. Auf der Schlusskundgebung sprachen Angehörige der Lagerinsassen, SchülerInnen, der Kulturbürgermeister, der Rabbiner der jüdischen Gemeinde. Ich hatte die Ehre, gemeinsam mit der Sopranistin Inga Schäfer und KollegInnen der Südwestdeutschen Philharmonie die Feier musikalisch zu gestalten. Dafür habe ich Lieder arrangiert, die aus der Feder ehemaliger Lagerinsassen von Gurs stammten, u.a. des Wiener Komponisten Leonhard K. Märker. Unter den Deportierten finden sich nicht wenige prominente Namen: auch Hannah Arendt soll [...]

Von |2021-11-30T22:05:27+01:0022. Oktober 2021|

So nicht, Herr Thiel!

In diesen Tagen wird Peter Thiel, dem milliardenschweren Big-Tech-Investor, der Frank-Schirrmacher-Preis verliehen. Peter Thiel? Man reibt sich die Augen. Nun ist es kein Geheimnis, dass sich der selige FAZ-Herausgeber Schirrmacher gegen Ende seines Lebens intensiv mit der digitalen Disruption beschäftigt hat, schließlich hielt er sie für die größte gesellschaftliche Herausforderung unseres Jahrhunderts. Und dass Peter Thiel einer der Größten unter den Disruptoren ist, mag unbestritten sein. Aber sollte man nicht annehmen, dass sich der selige Stifter einen Laureaten gewünscht hätte, der außer über unermessliche Geldreserven und nicht minder großes Selbstbewusstsein auch über eine ihm ebenbürtige intellektuelle Substanz verfügt? Die Dankesrede des Preisträgers (heute in der WELT abgedruckt) ist kryptisch - um nicht zu sagen: wirr - und so voller gewagter Thesen, dass man aus dem Staunen nicht mehr herauskommt: Da wird die großartige Forschungstradition Deutschlands heraufbeschworen, die, nun ja, auch Katastrophisches hervorgebracht hat, aber das gehört offenbar dazu. In einem [...]

Von |2022-04-28T22:16:38+02:0011. Oktober 2021|

Ich wünsche mir einen Runden Tisch

Seit eineinhalb Jahren vermisse ich öffentliche und offene Debatten über die Gestaltung unserer Gesellschaft unter pandemischen Bedingungen. Es hat den Anschein, dass Politik und Medien ein bestimmtes Narrativ bevorzugen und davon abweichende Meinungen wenig Raum lassen. All jenen, die sich damit nicht zufrieden geben möchten, empfehle ich die Aktion #allesaufdentisch, bei welcher sich KünstlerInnen mit WissenschaftlerInnen über zu Unrecht vernachlässigte Sichtweisen und Argumente im Zuge der Pandemie austauschen. Mehr davon!  

Von |2021-10-03T21:15:47+02:003. Oktober 2021|

Zur Bundestagswahl 2021 – Anfrage aus dem Kulturbereich (UPDATE)

Wie schon im März 2021 zur Landtagswahl in Baden-Württemberg habe ich zur anstehenden Bundestagswahl KandidatInnen aller Parteien aus vier Wahlkreisen (Freiburg, Emmendingen-Lahr, Lörrach-Müllheim und Waldshut) Fragen aus dem Kulturbereich gestellt. Nach den Erfahrungen seit März dieses Jahres hatte ich das Gefühl, meine Fragen etwas präziser und praxisnäher gestalten zu müssen. Die ersten 14 Antworten (eine Rücklaufquote von 30%) möchte ich heute, 2 Tage vor dem Wahlsonntag, hier veröffentlichen: Zur Bundestagswahl 2021 - Anfrage aus dem Kulturbereich

Von |2021-09-24T23:40:57+02:0024. September 2021|

Offener Brief an den Deutschen Chorverband

Sehr geehrter Herr Präsident Wulff, sehr geehrte Vorstände und ChorleiterInnen, liebe Sängerinnen und Sänger, Wir alle, aktive ChorsängerInnen und ChorleiterInnen, haben in den vergangenen 18 Monaten viel experimentiert, um unsere Tätigkeit nach Kräften und im Rahmen geltender Verordnungen aufrecht zu erhalten – in einer Zeit, in der das Singen als „gefährlich“ galt und gar verboten war. Nun habe ich den dringenden Wunsch, innezuhalten und zu betrachten, was eigentlich erreicht wurde – durch all die Maßnahmen und alles Experimentieren –, welche Perspektive wir als Singende heute haben. Experimentieren ohne Ende - und ohne Grenzen? Derzeit erleben wir ein Experiment mit Impfstoffen - und diese Beschreibung ist mehr als passend, da es sich doch um experimentelle, genbasierte Impfstoffe mit bedingter Notfallzulassung handelt, auf die wir unsere Hoffnung setzen. Denn - so hat man uns gesagt – wir werden erst dann wieder in die Normalität zurückkehren (dürfen), wenn ein nennenswerter Teil der Bevölkerung [...]

Von |2021-11-10T21:25:32+01:0022. September 2021|

Warum wir mehr denn je einen Globalen Kulturellen Aufsichtsrat benötigen

Globale Krisen benötigen eine globale Antwort. Solches dürfte in diesen Tagen – angesichts der Pandemie und der Finanz- und Klimakrise – deutlich geworden sein. Nur, von wem dürfen wir diese erwarten? Es zeigt sich immer mehr, dass etwa die Nationalstaaten nicht willens und in der Lage sind, weltweit operierende multinationale Konzerne in ihre Schranken zu weisen, sie effektiv zu besteuern, oder für angerichtete Schäden zumindest in Haftung zu nehmen. Haben deren globale Elitenetzwerke inzwischen eine Art Weltregierung etabliert? Immerhin ist kaum mehr zu leugnen, dass Digitalkonzerne wie Microsoft, Facebook, Google und Amazon die Arbeit aller bisher dagewesenen Geheimdienste in den Schatten zu stellen vermögen. Und auf ihren geheimen Netzwerktreffen im „Sun Valley“ werden die Weichen für die Kommunikation von Milliarden von Menschen gestellt. Einen Schritt weiter sind die Herren des Weltwirtschaftsforums (WEF), bei dem sich die führenden Staatschefs und CEOs nebst einflussreichen Persönlichkeiten aus allen weltweiten Bereichen im beschaulichen Davos [...]

Von |2021-11-10T21:26:04+01:0022. September 2021|

Sollten wir uns nicht wieder vertragen?

Seit März 2020 geht ein ganz neuer Riss durch Deutschland: Die Corona-Politik (nicht das Sars-Cov2-Virus persönlich, wie manche glauben) spaltet Familien, Freundeskreise, Vereine und Parteien. Abgesehen von „der Wissenschaft“, die es nicht gibt und auf die wir folglich nicht hören können, haben sich die meisten Menschen, die ich kenne, in ihrer Meinung, wie dieser Pandemie am besten beizukommen wäre, ziemlich früh und ziemlich schnell festgelegt. Auch ich bekenne mich dazu, dass ich Mitte März 2020, ohne etwas Genaueres über die Lage zu wissen (was ja damals auch kaum jemand ernsthaft für sich beanspruchen konnte), ein ziemlich konkretes Bauchgefühl hatte: dass es einem Staat wie Deutschland – mit unserer Historie – nicht zukommt, Betretungsverbote für öffentliche Parks auszusprechen. Ich lebe im Schwarzwald, und es fühlte sich surreal an, meinen täglichen Waldspaziergang, auf dem ich gewöhnlich höchstens einer weiteren Person begegnete, nur aufgrund einer „Ausnahmegenehmigung“ durchführen zu dürfen. Die Gemeindeverwaltung war geschlossen [...]

Von |2021-09-12T23:14:48+02:004. September 2021|

Kunst und Kultur: Sitzen wir in der Falle?

Im März/April 2020 wurden Kunst und Kultur durch einen plötzlichen und harten Lockdown stillgelegt. Da öffentliches Kulturschaffen per Verordnung untersagt war, blieb die einige Möglichkeit, Aufführungen ins Internet zu verlegen. Geld verdient hat damit niemand – im Gegenteil, viele haben sich neues Equipment zugelegt und Livestreams gratis angeboten. Nur die staatlichen Rundfunkanstalten wurden für das bezahlt, was sie ohnehin schon tun: dass sie produzieren! Aber wer kann da mit ihnen konkurrieren? Es zeigt sich, dass MusikerInnen in der Pandemischen Gesellschaft neue Geschäftsmodelle benötigen – einige der alten funktionieren nicht mehr. Das Geschäftsmodell Nr.1, das sich in der Pandemie bewährt hat: Der Staatsmusiker. Es ist gut möglich, dass sich der Pandemiestaat auch künftig MusikerInnen leistet, die in Festanstellung produzieren – egal, ob jemand zuschaut oder nicht. Es ist aber auch denkbar, dass der Staat mit deutlich weniger MusikerInnen auskommt als bisher. Schließlich muss irgendwie wieder eingespart werden, was für die Pandemiefolgen [...]

Von |2021-09-12T23:14:16+02:002. September 2021|

Für ein neues Darmstadt – nach der Krise

Bei aller Kritik an den Entwürfen überstaatlicher Akteure für eine neue Wirtschaftsordnung: Es stimmt, dass ein „Reset“ oder „Neustart“ oder ein „besserer Wiederaufbau“ (build back better) absolut vonnöten wäre. Ich meine aber, dass es sehr darauf ankommt, wie dieser Aufbau geleistet wird, wer ihn leistet, und mit welchen Absichten. Schauen wir uns die Akteure an, die einen Reset oder Neustart vorschlagen, kommen mir herbe Zweifel, ob diese Akteure wirklich das Gemeinwohl im Sinn haben oder einfach ihre Vorstellung von Wirtschaftsordnung in Stellung bringen wollen. (Es könnte ja sein, dass in ihrer Lesart von „nachhaltigem Wirtschaften“ die Betonung klar auf der Wirtschaft liegt und nicht so sehr auf der Nachhaltigkeit …) Warum gehen jetzt nicht alle gesellschaftlichen Gruppen gemeinsam das Wagnis ein, eine neue Gesellschaft zu entwerfen – jeder für seinen Bereich – mit konkreten Vorschlägen zu ihrer Umsetzung? Für die Musik fühle ich mich an das Darmstadt der Nachkriegsjahre erinnert. [...]

Von |2021-11-10T21:26:32+01:0011. August 2021|

Freie Kunst und #allesdichtmachen

Waren Künstlerinnen und Künstler nicht einmal freie Geister, und nichts und niemandem verpflichtet außer ihrem Inneren, dem sie in ihrer Kunst Ausdruck zu verleihen suchten? War nicht gerade die Authentizität das Maß aller Dinge, und Garantie dafür, dass KünstlerInnen ihrem ureigenen Antrieb folgten – gänzlich unbeeinflusst von äußeren Zwängen oder Ansprüchen? Gewiss, man hat Aufträge, aber diese setzen häufig nur äußere Rahmenbedingungen und verlangen höchst selten eine inhaltliche Einmischung von Geldgebern bei der Realisierung eines Kunstprojekts. Schließlich heißt es ja im Grundgesetz der BRD: Kunst ist frei. Und weiter: Eine Zensur findet nicht statt. Dies scheint sich allerdings in den vergangenen 15 Monaten geändert zu haben. Als sich namhafte SchauspielerInnen zu einer Aktion verabredeten, in Form kurzer Videos ihre Kritik an gewissen Regierungsmaßnahmen darzustellen – für jedermann klar als ironische Zuspitzung und damit als künstlerisches Stilmittel erkennbar -, sahen sie sich nicht nur einem Shitstorm der Medien ausgesetzt, sondern auch [...]

Von |2021-09-12T23:00:54+02:007. August 2021|
Nach oben