Eine Anleitung für alle Interessierten
Kunst und Kultur ist ja durchaus etwas Schönes, im Ganzen sogar ein Wirtschaftsfaktor. Allerdings verleiht sie denen, die sie betreiben, ein Übermaß an Menschenwürde. Immer wieder wird an KünstlerInnen ein Hang zu Freiem Denken festgestellt. War kulturelle Bildung im späten 18.Jahrhundert die Chance des Bürgertums, sich vom Adel zu emanzipieren, ist sie im frühen 21. Jahrhundert vermutlich das größte Hindernis, sich der totalen Digitalisierung hinzugeben.
Wer also der Meinung ist, dass dieses Hindernis beseitigt werden muss, dem sei folgende Methode empfohlen (auch bekannt als „The Great Reset“, sie stammt aus dem Elite-Netzwerk Weltwirtschaftsforum):
Man nehme ein mittelmäßig erfolgreiches Virus (über dessen Herkunft sich trefflich spekulieren lässt) und verschaffe ihm uneingeschränkte Medienpräsenz: Anfangs ein paar Bilder mit qualvoll sterbenden Menschen, überfüllten Krankenhäusern und besorgt dreinblickenden Politikern (die Bilder können auch gern vom letzten Jahr sein – spielt keine Rolle).
Dann Dauerfeuer auf allen Kanälen mit „Fallzahlen“ (es muss nicht verheimlicht werden, dass diese analog zu den Börsenkursen gewisser Pharmakonzerne steigen). Die Regierung inszeniert sich, mit Hilfe ihrer Werbeagenturen, als Retter und Beschützer der Bevölkerung, besonders motiviert durch den parallel laufenden Wettbewerb der CDU-Kanzlerkandidaten und Ministerpräsidenten.
Hilfreich ist auch die wissenschaftliche Absicherung Ihres Vorhabens durch sorgfältig ausgewählte „Experten“, die jede Menge Sendezeit erhalten.
Die Regierung erlässt nun „Verordnungen“, die sich alle mehr oder weniger direkt auf eine „epidemische Notlage nationaler Tragweite“ beziehen (auch bei dieser Formulierung muss die Werbeagentur mitgeholfen haben) und folgende Kriterien erfüllen müssen:
1) Kurzfristigkeit: die Verordnungen müssen einander so schnell abwechseln, dass potentielle Widersprüche veraltet sind, bevor ein Gericht sich ernsthaft mit ihnen befassen kann;
2) Kleinteiligkeit: die Verordnungen müssen so orts- und situationsabhängig sein, dass es kaum möglich ist, sich in größerem Rahmen gegen sie zu wehren;
3) Schwammigkeit: bei Nachfragen sollte am besten keine Behörde genau wissen, wie eine Verordnung im konkreten Fall auszulegen ist, damit man ein Gesuch im Zweifelsfall leicht ablehnen kann.
Das Zaubermittel zum Plattmachen der Kultur nennt sich „Hygienekonzept“: Jeder Verein, jeder Chor, jedes Orchester muss fortan für jede Probe und jede Veranstaltung ein Hygienekonzept vorlegen, in dem dargelegt wird, wie der Kulturträger Besucherströme regelt, Kontaktdaten nachverfolgt, Verantwortliche benennt. Wer bis hierher noch nicht aufgegeben hat, wird bei seiner lokalen Gemeinde mit Beamten konfrontiert, die sich mit der Genehmigung Zeit lassen, zahlreiche Änderungen verlangen, oder sich zusätzliche Auflagen einfallen lassen, z.B. die Desinfektion sämtlicher Sitze oder die Reinigung der Toiletten.
Hat sich nun ein Chor oder Orchester dafür entschieden, eine Veranstaltung durchzuführen, muss das noch lange nicht heißen, dass diese auch besucht wird. Denn wer seine Kontaktdaten hinterlässt, muss damit rechnen, durch eine zufällige Begegnung mit einem positiv Getesteten (nicht: Infizierten) für 14 Tage in häusliche Isolation geschickt zu werden. Gerade Freiberufler werden ein solches Risiko nicht eingehen wollen, da sie solange als arbeitsunfähig gelten, bis sie einen negativen Test vorweisen können (mit solchen Tests werden gerade wöchentlich ca.150 Mio. umgesetzt). Auch ältere MitbürgerInnen, mit denen normalerweise als Stammpublikum von Kulturveranstaltungen zu rechnen ist, werden sich eher zurückhalten – sie wurden ja frühzeitig zur „Risikogruppe“ erklärt.
Die Lage verschärft sich weiter, wenn in einem Ensemble oder auf einer Veranstaltung tatsächlich ein „Corona-Fall“ eintritt: die gesamte Belegschaft muss in Quarantäne, was bei freien Ensembles zu finanziellem Totalausfall führt. Und natürlich nicht zu vergessen, die schlechte Presse („Superspreader-Event“) bzw. das Gerede, das solch ein Ereignis nach sich zieht (Ministerpräsident Kretschmann ist ja der Meinung, wir sollten als BürgerInnen mehr aufeinander achten …): Spricht sich so ein Ereignis nur in den richtigen Kreisen herum, werden auch andere Ensembles lieber ihre Aktivitäten einstellen, bevor ein erwartbarer Fall sie ohnehin dazu zwingt …
Ganz ähnlich ergeht es natürlich auch der Gastronomie – was wäre Kunst und Kultur ohne den gemeinschaftlichen Umtrunk nach der Probe oder dem Konzert! Aber auch hier läuft man neuerdings Gefahr, per Kontaktnachverfolgung in die Arbeitsunfähigkeit befördert zu werden. Also gehen lieber alle – jeder für sich, mit Abstand – gleich nach Hause.
Ganz nebenbei werden neue „Sozialpraktiken“ etabliert und gefestigt: Wir halten Abstand, geben einander nicht die Hand, tragen Maske, betrachten einander als mögliche Risikopersonen etc. Menschen, die sich nicht an die Hygienemaßnahmen halten, gelten als „unsolidarisch“ (es spielt keine Rolle, was der Begriff „Solidarität“ bis dahin mal bedeutet hatte).
Die neue „Normalität“ verlangt die soziale Distanz – und diese ist leider komplett unvereinbar mit allem, was Vereinsleben, Kunst und Kultur als Gemeinschaft stiftende Tätigkeiten ausmacht.
Alles könnte darauf hinauslaufen, dass nur noch zwei Alternativen bleiben:
a) Verlagert Eure Aktivitäten einfach komplett ins Internet – das ist völlig keimfrei, es besteht keinerlei Ansteckungsgefahr, und Ihr habt eine potentiell globale Aufmerksamkeit!
b) Wenn Ihr tatsächlich so rückständig seid, Euch weiterhin physisch und real begegnen zu wollen, dann lasst Euch gefälligst impfen! Viel versprechende Impfstoffe aus Deutscher Produktion werden aktuell an dankbaren Probanden in Peru und Panama getestet (in guter Tradition eines gewissen Robert Koch, der seine Medikamente auch in den deutschen Kolonien Afrikas ausprobierte), von der Bundesregierung mit 300 Mio. Euro gefördert, und kein Geringerer als Bill Gates hat in das hoffnungsvolle Startup Curevac aus Tübingen investiert.
Und wenn beide Alternativen für die Betroffenen nicht in Frage kommen? Tja, dann können sie sich ja ein anderes Hobby oder eine andere Beschäftigung suchen. Und das ist ja jetzt auch nicht wirklich Ihr Problem, oder?
Sie können übrigens davon ausgehen, dass die Regierung Ihr Vorhaben gerne unterstützt – wer lässt sich schon die Chance entgehen, sich fürsorglich und tatkräftig als Beschützer der Bevölkerung zu zeigen? Die Bevölkerung macht ebenso gern und freiwillig alles mit – man kann ja schließlich noch auf bewährte altdeutsche Tugenden wie Gehorsam, Ordnungsliebe etc. zählen. Und sollte das mal nicht funktionieren, können die Behörden ja immer noch wahlweise auf private Sicherheits- oder kommunale Vollzugsdienste, Polizei oder Militär zurückgreifen, um zu „helfen“.
Wenn Sie doch einen Hauch von Mitleid mit den betroffenen Kulturinstitutionen oder freien Kulturschaffenden verspüren sollten, können Sie ja immer noch Soforthilfen und Kredite anbieten (oder den freien und unbürokratischen Zugang zu Hartz IV). Um Ihr Geld müssen Sie sich keinerlei Sorgen machen – Sie werden es früher oder später in Form von Kürzungen und Abgaben mit Zins und Zinseszins zurückerhalten.
Schon jetzt – im Herbst 2020 – zeigt sich, dass Ihr Vorhaben von durchschlagendem Erfolg gekrönt sein dürfte, jedenfalls deutet so ziemlich alles darauf hin, dass Ihre Methode zum Plattmachen des kulturellen Lebens funktioniert.
Eine Frage bleibt jedoch: Wer sind Sie, dass Sie so etwas tun?
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