Es findet gegenwärtig – im Windschatten der Corona-Pandemie – ein Totalumbau unserer Gesellschaft statt.
– ein durch eine „epidemische Notlage nationaler Tragweite“ begründeter Ausnahmezustand soll zum Dauerzustand werden, mit nie dagewesenen Grundrechtseinschränkungen.
– die Bevölkerung akzeptiert eine Totalüberwachung, die als „Gesundheitsmonitoring“ ausgegeben wird und unter normalen Bedingungen niemals akzeptiert werden würde.
– das Bundesverfassungsgericht urteilt (am 20.5.2021), dass Künstlerinnen und Künstler Einschränkungen in ihrem Wirkbereich dauerhaft hinnehmen müssen – es bliebe ihnen ja noch der Werkbereich. Im Klartext: unter pandemischen Bedingungen ist ein Wirken vor Publikum nicht vorgesehen – man kann ja stattdessen Videos produzieren, Livestream-Konzerte geben, Bücher, Kunstwerke etc. veröffentlichen …
Das auf der dunklen Seite des Mondes lebende Bundesverfassungsgericht verkennt, dass die Zahl der KünstlerInnen, die unter solchen Bedingungen kunstschaffend existieren können, an den Fingern einer Hand abgezählt werden kann. Und musikalische Vereine, die ausschließlich live mit ihrem Publikum interagieren, haben kaum eine Chance, dies auch weiterhin zu tun.
Abhilfe schaffen sollten ursprünglich die 3G: geimpft, genesen, getestet. Ohne Impfung sei eine Rückkehr in die Normalität nicht möglich, hieß es von Seiten der Regierung. Aber kann dies auch umgekehrt gelten: garantiert die Impfung denn eine Rückkehr in die Normalität?
Auf gar keinen Fall. Schon heute dürfte klar sein, dass die angestrebte Impfquote von 85% niemals erreicht werden kann. Und selbst wenn sie erreicht werden sollte – Geimpfte können sich weiterhin anstecken. Oder – dass die Impfung überhaupt schützt, darf angesichts der Mutationen (mit denen man ja gerechnet hatte) inzwischen als fraglich gelten.
Für alle musikalischen Vereine gilt daher: Die Aussicht auf Öffnung durch die Impfung kommt einem falschen Versprechen gleich. Man könnte auch sagen: Es soll einfach nicht geöffnet werden.
Im Infektionsschutzgesetz (IfSG) ist niedergeschrieben, dass die Bundesregierung über die Dauer der Pandemie entscheidet. Damit dürfte klar sein: Es ist politisch gewollt – und nicht etwa medizinisch geboten –, wie lange wir an unserer Tätigkeit gehindert sind.
Und hier sind wir als Kulturschaffende gefragt: Stimmen wir einer politischen Beurteilung unserer Tätigkeit zu, nach der
a) Singen potenziell tödlich ist,
b) der Werkbereich allein zulässig ist,
c) ergänzend zu den anerkannten Hygienekonzepten nur noch Geimpfte, Genesene oder Getestete teilnehmen dürfen?
Ich meine, dass Letzteres nicht nur einen eklatanten Verfassungsbruch darstellt, sondern auch einer Diskriminierung all jener gleichkommt, die aus ernst zu nehmenden Gründen (auch medizinischen!) das Risiko einer per Notfallzulassung freigegebenen Impfung nicht auf sich nehmen wollen (oder können).
Man könnte solche Maßnahmen (oder solchen – irreführend – als „Modellprojekt“ deklarierten Regelungen) für eine streng begrenzte Zeit zustimmen. Es ist nur leider nirgendwo in Sicht, dass wir das Regiment der Inzidenzwerte je wieder loswerden. Denn ein Inzidenzwert unter 10, der „weitreichende Lockerungen“ (z.B. Open Air-Veranstaltungen mit bis zu 500 Personen) rechtfertigt, ist im Herbst / Winter – während der ganz normalen Grippewelle – einfach völlig unmöglich! Dies bedeutet: Unter solchen Bedingungen ist ein Herbst/Winter-Lockdown auf Dauer vorprogrammiert.
Kulturschaffende werden ihre Spielzeiten künftig nach Inzidenzen ausrichten müssen. Anstelle der Sommerpause wird es wohl eine Winterpause geben. Anstelle der üblichen „Auslastung“ der Spielstätten wird es tagesaktuelle Obergrenzen geben – wer Veranstaltungen solcher Art plant, braucht entweder stattliche (staatliche) Förderung, oder Risikokapitalgeber ….
Von Seiten der Politik ist im Laufe der letzten 15 Monate hinreichend klar geworden, dass sie keinerlei Ideen oder Konzepte hat, wie in der „aktuellen Situation“ Kultur gestaltet werden kann. Ihre Sprachlosigkeit spricht Bände.
Es drängt sich der Gedanke auf, dass es politischer Wille sein könnte, eine potenziell kritische – weil eben nicht systemrelevante – Kunst in ihre Schranken zu weisen.
Diesem politischen Willen kann – und muss – mit demokratischen Mitteln entgegengetreten werden: Es ist möglich, und mehr denn je dringend geboten, als Kulturschaffende/r die eigene Stimme zu erheben.
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