Ich bin kein Virologe, verstehe auch sonst nicht allzu viel von Medizin oder gar von Biotechnologie. Über die Gefahren durch das „neuartige“ Coronavirus bzw. die dagegen eingesetzten Maßnahmen kann ich also kein qualifiziertes Urteil abgeben. Diesen Mangel teile ich übrigens mit den meisten meiner Mitmenschen, sowie der überwältigenden Mehrheit der Politiker. Das ist insofern betrüblich, als dass wir uns durch unser Nichtwissen in Abhängigkeit zu Experten begeben müssen – Experten, die oftmals gewissen Unternehmen und Konzernen nahe stehen.
Dass verantwortliche Politiker manchmal durchaus verantwortungslos handeln können, hat auch mit solchen Abhängigkeiten zu tun. Sie werden manchmal schlecht beraten oder erliegen verlockenden Angeboten – so etwa Herr Dr. Nüsslein (CSU), der für einen Maskendeal hohe Provisionen kassierte, oder Jens Spahn (CDU), der einen Pharma-CEO, von dem er eine Immobilie erwarb, in ein Amt im Gesundheitsministerium beförderte (der SPIEGEL berichtete). Nun, solche Dinge können jedem passieren, oder nicht?
Dass Frau Susanne Eisenmann, die derzeit von uns zur Ministerpräsidentin Baden-Württembergs gewählt werden möchte, sich dafür eingesetzt hat, dass an allen Schulen des Landes Konferenz-Software von Microsoft verwendet wird, ist mir dagegen unverständlich. Vielleicht hat es aber auch damit zu tun, dass wir uns an die Programme der Big Tech-Konzerne einfach gewöhnt haben: Google, Amazon, Facebook, Apple, Microsoft – diese haben einfach die besten Apps und Gadgets und die größten Server-Kapazitäten, an ihnen führt kein Weg vorbei. Oder?
Als es um die Corona-Tracking-App ging, kamen die ersten Angebote von Google und Amazon, man entschied sich allerdings (zu Recht!) für eine datensparsame dezentrale Lösung. Für die Elektronische Krankenakte versuchte Jens Spahn einen Deal mit Google einzufädeln, der ihm jedoch (glücklicherweise) nicht gestattet wurde. Der EU-Impfpass bzw. die europaweite digitale ID, die in Planung ist, soll über die Infrastruktur von Microsoft laufen. Wird es diesmal gelingen?
Seit Mitte des Jahres 2020 bekamen wir in den größten Illustrierten ganzseitige Inserate von Facebook zu sehen, in denen der Konzern bekundete, „mit über 100 Regierungen und Organisationen weltweit gegen Desinformation vorzugehen“ – was mich sehr überraschte, da ich bisher „Facebook“ und „Information“ nicht miteinander in Verbindung bringen konnte. Wenn man weiß, wie die Algorithmen des Konzerns funktionieren, kann man einsehen, dass es ihm zu keinem Zeitpunkt um Inhalte ging, sondern Nachrichten (und Werbung) „personalisiert“ zugestellt werden, d.h. jeder bekommt das zu sehen, was ihm oder ihr „gefällt“. Zudem bevorzugen die Facebook-Algorithmen alles, was maximale Aufmerksamkeit erzeugt, und dazu gehört nun mal jede Art von Hass, Hetze und Pöbelei. Wenn nun vielfach von der Spaltung der Gesellschaft zu hören ist, würde ich ihren Ursprung viel eher in diesem Prinzip vermuten als in kontroversen Diskussionen über die aktuelle Situation.
Weitere ganzseitige Anzeigen stammten von Amazon (in denen damit geworben wurde, dass Amazon Flüchtlingen, Gehörlosen und anderen Benachteiligten eine Chance gibt), und – nicht zuletzt – von Google: Google rettet die von der Krise bedrohten Unternehmen, indem es ihnen Online-Marktplätze bietet, natürlich gegen stattliche Gebühren und die Verpflichtung das eigene Bezahlsystem zu nutzen (welches wiederum Gebühren verlangt).
Dies erinnerte mich an einen Bericht über Italien, den ich Anfang dieses Jahres im SPIEGEL las: Wann immer ein Unternehmen oder ein Gastronom aufgrund der Krise in Zahlungsschwierigkeiten geriet, bekam dieser Besuch von zwei meist sehr gut gekleideten und sympathisch wirkenden Herren von der Mafia, welche ihm eine „Geschäftspartnerschaft“ anboten – diese war oft verbunden mit horrenden Zinsen oder Provisionen.
Dass es auch anders gehen kann, bewiesen dann einige Stadtteile und Orte Italiens, die sich schützend vor ihre Unternehmer stellten und der Mafia damit die Stirn boten. Ich würde mir wünschen, dass dies auch in unseren deutschen Städten und Gemeinden geschieht, damit unsere Läden und Restaurants nicht von Investoren und Tech-Konzernen gekauft (oder gemanaged) werden und das Geld im Ort bleiben kann. Vielleicht gründen sich ja schon bald entsprechende Initiativen.
Nun könnte man einwenden, dass man Google und Konsorten nicht mit der Mafia vergleichen muss. Ich finde schon – man sich allein die Höhe der Provisionen der Plattformbetreiber (und ihrer Zahlungsdienstleister wie PayPal) ansieht. Aber noch aus einem ganz anderen Grund: Diese sehr coolen Unternehmen mit ihrer faszinierenden Technologie haben sich in den letzten 10 Jahren massiv der Überwachungs- und Rüstungsindustrie verschrieben. Und das ist eine sehr beunruhigende Entwicklung.
Als ich vor einigen Monaten auf der englischen Wikipedia Listen von „mergers and acquisitions“ der digitalen Großkonzerne zu lesen bekam, musste ich feststellen, dass mein Verständnis vom Tun und Lassen dieser Unternehmen nicht auf dem neuesten Stand ist: Auf diesen Listen sind die Zukäufe und Fusionen vielversprechender Start-Ups aufgeführt, darunter eine beeindruckende Zahl von Firmen, die auf Gesichtserkennung, Profilmanagement, Bodyscanning, Satellitentechnologie und (militärische) Drohnenentwicklung spezialisiert sind. Es scheint, als hätte in den letzten zehn Jahren – weitgehend unbemerkt – ein massives Rüstungsgeschehen stattgefunden.
Dazu passt, dass alle genannten Big Tech-Konzerne inzwischen in enger Verbindung mit allen US- Geheimdiensten und dem US-Militär stehen. Die Bilder von dem ersten Treffen des Facebook-CEOs Mark Zuckerberg mit dem CIA-Chef gingen damals um die Welt. Es wäre auch ziemlich verwunderlich, wenn sich Militär und Geheimdienst nicht für jemanden interessieren, der über 2,5 Milliarden (!) Nutzerprofile verfügt.
Wenn Sie also das nächste Mal vorhaben, sich selbst mit Ihrem Mittagessen zu fotografieren und das Bild mit Freunden zu teilen, denken Sie bitte daran, dass an Ihrem Foto Künstliche Intelligenz ihre Gesichtserkennung trainiert.
Auch Amazon hat sich vom Online-Buchhändler, als der sich das Unternehmen der Welt vorstellte, nicht nur zum weltgrößten Anbieter von Cloud-Servern entwickelt, sondern auch zu einem der führenden Entwickler (militärischer) Drohnenprogramme. In Zukunft könnte es sein, dass Amazon als eine Art futuristischer Santa Claus den braven Bürgern per Drohne Geschenke sendet, und an weniger braven Bürgern eine Hinrichtung durchführt (und falls Sie dies für unmöglich halten: solches tut die US-Regierung bereits seit einigen Jahren in Ländern wie Irak, Iran und Afghanistan).
Es könnte also sein, dass wir – ohne es zu wollen – Teil eines umfassenden Rüstungsgeschehens werden. Wenn Sie sich nun fragen, ob dies mit unserer Zustimmung geschieht, so muss ich Sie daran erinnern, was wir im Netz tagtäglich zu lesen bekommen: „Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich einverstanden mit …“. Dies bedeutet, dass wir mit jeder Amazon-Bestellung, jeder Nutzung unseres Facebook-Profils oder des WhatsApp-Nachrichtendienstes und jeder Google-Suche, die wir tätigen und jedem Youtube-Video, das wir schauen, diese Entwicklung unterstützen.
Ich habe 1993 aus Gewissensgründen den Kriegsdienst verweigert und möchte nicht ein Vierteljahrhundert später aus reiner Bequemlichkeit (oder Unwissenheit) zu einem Kriegsgeschehen beitragen, das mithilfe unserer Daten geführt wird.
Zum Schluss vielleicht noch ein Wort zu Bill Gates, einem der Pioniere des Silicon Valleys und heute dessen graue Eminenz: Er ist zu einem Philanthropen und Philosophen mutiert, der zweimal jährlich mit seinem Privatjet auf seine Privatinsel fliegt, um dort in einer einwöchigen Klausur Methoden zu entwickeln, wie er die Welt zu einem besseren Ort machen könnte (wohlgemerkt, an einem Ort, wo es keine Lockdowns gibt – er hat weiß Gott nicht die Probleme, die wir haben!). Aktuell rettet er die Welt gleich zweimal. Nachdem er 7 Millarden Menschen mit Impfstoffen versorgt hat, geht es gleich weiter an die Rettung des Klimas – mit Hilfe von Atomkraftwerken!
In einem Interview mit der „Welt“ sagte Gates am vorvergangenen Dienstag: „Die ganze Menschheit befindet sich im Krieg gegen das Virus“. Ähnliche Sätze hörten wir bereits von Emanuel Macron, Joe Biden, Xi Jinping (der solche, die sich an diesem Krieg nicht beteiligen wollen, als „Deserteure“ bezeichnet), Markus Söder und unzähligen weiteren – ganz unabhängig davon, wie viele sich solcher Kriegsrhetorik bedienen, finde ich diese jedoch mehr als fragwürdig:
Kann man Krieg gegen ein Virus führen? Wie soll das konkret aussehen: ein Krieg der Weltgemeinschaft, die gegen etwas ausrückt, was nicht sichtbar ist, ja nicht einmal als Lebewesen gilt? Was soll dabei herauskommen? Wir erinnern uns: Seit nunmehr 20 Jahren befinden wir uns im „Krieg gegen den Terror“, der seinerzeit von George W. Bush ausgerufen wurde und uns – außer einer Vielzahl von Sicherheitsgesetzen – was genau gebracht hat?
„Krieg gegen das Virus“ – das ist keine Philosophie, das ist Unfug. Gefährlicher Unfug. Und ich werde mich diesem Krieg verweigern – aus Gewissensgründen.
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